Charrette-Verfahren

Entscheidungsfindungsmethode (qualitativ)

Ziel der Methode

Das Charrette-Verfahren ist eine öffentliche Planungsmethode, die eine gemeinsame Beteiligung von Betroffenen und Interessierten sowie Politik, Verwaltung und Expert*innen ermöglicht. Ziel ist es, die Bevölkerung im ausgewählten Untersuchungsraum und -schwerpunkt in Gestaltungsentscheidungen einzubeziehen und somit eine partizipative Mobilitätsplanung zu ermöglichen. Durch die Verbindung von lokalem und fachlichem Wissen werden konkrete Gestaltungsvorschläge erarbeitet, fortlaufend reflektiert und folglich gemeinsame Lösungen und Konzepte für die Umsetzung der Ideen erarbeitet. Die Besonderheiten des Charrette-Verfahrens liegen in der interdisziplinären Zusammenarbeit, der öffentlichen, transparenten Kommunikation, der flexiblen Gestaltung und dem Anspruch, in einer begrenzten, kurzen Zeit umsetzbare Ergebnisse zu erzielen.

Zielgruppe

Um möglichst viele Perspektiven zum Planungsgegenstand einzufangen, sollten viele verschiedene Bewohner*innen, lokale Betroffene und Interessierte in das Charrette-Verfahren eingebunden werden. Sie sollen gemeinsam mit den politisch und administrativ Verantwortlichen für die Mobilitätsplanung vor Ort an den Veranstaltungen teilnehmen. Die Planenden sollten frühzeitig über das Beteiligungsverfahren informieren und transparent aufzeigen, in welcher Art und Weise zur Entscheidungsfindung zusammengearbeitet wird. 

Vorgehensweise

Als Voraussetzung für den Beteiligungsprozess gilt ein gemeinsam mit allen Partner*innen und Beteiligten durchgeführter Zielfindungsprozess für ein heterogen besetztes Beteiligungsverfahren unter Berücksichtigung etablierter Strukturen im Untersuchungsgebiet. Die zuständigen Entscheidungsträger*innen sollten dabei über bestehende Bindungen und den Gestaltungsspielraum aufklären. Ebenso ist die Absprache von Zuständigkeiten im Durchführungsprozess sowie der verbindlichen und verlässlichen Umsetzung der Ergebnisse unabdingbar. 

 

Das Charrette-Verfahren ist ein mehrstufiges Beteiligungsverfahren. Die einzelnen Phasen können verschiedene Veranstaltungen unterschiedlicher Formate umfassen:

 

 

1. Vorphase

In der Vorphase erfolgen die Bestandsaufnahme und die Erschließung des Untersuchungsgebiets. Dazu gehört die Erkundung des Gebietes mit öffentlichen Planungsspaziergängen, Stakeholdergesprächen, Dokumentenanalysen und Öffentlichkeitsarbeit. In dieser ersten Phase empfiehlt sich zudem die Integration von Mini-Charrettes, um mit der Öffentlichkeit eine erste Problemanalyse durchzuführen und erste Schwerpunkte und Themen für das Arbeitsprogramm der Hauptcharrette festzulegen. 

 

2. Hauptcharrette

In der Hauptcharrette werden öffentliche Planungswerkstätten durchgeführt, die die eigentlichen Planungsideen und -ansätze ausarbeiten. Ausgehend von den Wünschen und Themen der Vorphase und den ortsspezifischen Gegebenheiten werden Handlungsschwerpunkte definiert und an drei bis sieben aufeinander folgenden Tagen bearbeitet. Die Bearbeitung der Themen erfolgt an verschiedenen Arbeitstischen im Rahmen eines offenen Arbeitsprozesses, in den Teilnehmende jederzeit beobachtend oder aktiv einsteigen können. Planungsexpert*innen übernehmen dabei die Moderation und überprüfen, reflektieren und kommentieren die entwickelten Lösungsansätze. Dieses Vorgehen wiederholt sich fortlaufend während der Planungswerkstatt, bis am Ende ein breit getragenes Konzept zu den Gestaltungsvorschlägen entstanden ist.

 

3. Abschlusscharrette

Die umsetzungsorientierte Aufbereitung der Ergebnisse erfolgt in der Abschlusscharrette. Dabei werden die aufgearbeiteten Ergebnisse der Öffentlichkeit präsentiert sowie mit Politik und Verwaltung abgestimmt, damit darauffolgend möglichst schnell umsetzbare Handlungsschritte festgelegt werden können.

Zu beachten

  • Eine umfassende Information gilt als wesentliche Voraussetzung von Beteiligung. Um alle Beteiligten auf den gleichen Stand zu bringen, ist ergänzend zur begleitenden Öffentlichkeitsarbeit z. B. die Konzeption einer kleinen Ausstellung zu empfehlen, in der sich Teilnehmende über wesentliche Rahmenbedingungen der Planung und Beteiligung informieren können.
  • Einige Menschen haben größere Hemmschwellen als andere, Beteiligungsveranstaltungen zu besuchen. Entsprechend sollten Räumlichkeiten gewählt werden, die nicht zu förmlich und bestenfalls in räumlicher Nähe zum Projektgebiet verortet sowie gut erreichbar sind. 
  • Bei der Durchführung sollte auf die Tageszeit und den Veranstaltungsort geachtet werden, da die Teilnehmenden weitere Verpflichtungen wie Familie und Beruf haben. Daher bietet sich ein Zeitrahmen von 15 bis 19 Uhr im Wohnumfeld der Personengruppen an.
  • Bei dem Beteiligungsprozess ist auf eine Arbeit auf Augenhöhe zwischen den Akteur*innen der Zivilgesellschaft, der Verwaltung und der Politik zu achten. Wichtige Aspekte sind zudem Transparenz und Nachvollziehbarkeit der einzelnen Schritte und die Veranschaulichung der Planung in verständlicher Weise.

Akquise der Teilnehmenden

Die Akquise der Teilnehmenden setzt sich aus zwei Herangehensweisen zusammen:
 
  • Zum einen sollen durch eine Stakeholderanalyse im Untersuchungsgebiet in Verbindung mit politischen Zielsetzungen Personengruppen mit besonderen Mobilitätsbedarfen identifiziert werden, die direkt zur Teilnahme angesprochen und eingeladen werden, um aktiv an der Ideensammlung, Planung und Umsetzung mitwirken zu können. Unterschiedliche Methoden der direkten Ansprache wie Kennenlerngespräche, Stadtspaziergänge sowie Besuche der etablierten Treffpunkte und Einrichtungen können dafür ebenso wie die Identifikation und Ansprache von lokalen Multiplikator*innen genutzt werden. Dabei wird über die Ziele und das Vorhaben des Beteiligungsprozesses informiert sowie gleichzeitig die Möglichkeit geboten, offene Fragen zu beantworten.
  • Bei dem Beteiligungsprozess ist auf eine Arbeit auf Augenhöhe zwischen den Akteur*innen der Zivilgesellschaft, der Verwaltung und der Politik zu achten. Wichtige Aspekte sind zudem Transparenz und Nachvollziehbarkeit der einzelnen Schritte und die Veranschaulichung der Planung in verständlicher Weise.Zum anderen sollen durch allgemeine Öffentlichkeitsarbeit alle Betroffenen und Interessierten über die Beteiligungsmöglichkeiten informiert werden, um ihnen die Möglichkeit einzuräumen, sich am Entscheidungs- und Gestaltungsprozess zu beteiligen. Ziel der Öffentlichkeitsarbeit ist es, mittels direkter und einfacher Ansprache der Vielfalt der Akteur*innen vor Ort gerecht zu werden und möglichst viele Menschen über den aktuellen Stand des Beteiligungsverfahrens zu informieren. Die konsequente Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgt durch Aushänge und Hauswurfsendungen vor Ort, unterschiedliche soziale Medien und Nachbarschaftsportale, eine Website sowie einen gemeinsamen Verteiler.

Weiterführende Literatur

Kegler, H. (2006)

Charrette – eine neue Generation der Beteiligungsmöglichkeiten. In: Informationsdienst städtebaulicher Denkmalschutz Nr. 31. Berlin. S. 69–79.

Einblicke in die Praxis

Das Charrette-Verfahren wurde zur Entwicklung eines Nahmobilitätskonzepts im Forschungsprojekt „Modellkiez Invalidenkiez“ angewendet. 

Der Abschlussbericht ist verfügbar unter

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