Fokusgruppen
Entscheidungsfindungsmethode (qualitativ)
Ziel der Methode
Das Ziel dieser Methode ist es sowohl den Untersuchungsrahmen und Fokusthemen des aktuellen Zyklus der Mobilitätsberichterstattung zu definieren als auch räumliche und personengruppenspezifische Schwerpunkte für die Erhebungen des Status quo des Mobilitätssystems festzulegen. Schon zu Beginn der Untersuchungen sollen die unterschiedlichen Akteure gemeinsam gleichberechtigt über die Problemfelder, die Bewertung des Status quo und die zukünftige strategische Ausrichtung diskutieren.
Die Teilnehmenden erhalten durch Präsentationen, Videos u.ä. einen Anreiz, um auf dieser Grundlage eine problem- und zielorientierte Diskussion zu initiieren. Explorativ werden die unterschiedlichen Meinungsbilder aufgenommen. Darauf aufbauend wird das Leitziel des Mobilitätsberichts festgelegt und wahrgenommene Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken des aktuellen Verkehrssystems festgehalten. Die Methode kann auch in der SWOT-Phase angewendet werden, um aus Strategien Maßnahmen zu erarbeiten und diese zu priorisieren (vgl. World Café).
Zielgruppe
Die Auswahl der Teilnehmenden für die verkehrspolitischen Diskussionen wird aus der (kommunalen) Verwaltung, der Politik, den Interessenverbänden in der Mobilität, Bürger*innen und bei Bedarf kommunalen Verkehrsunternehmen akquiriert. Für die sehr diverse Gruppe der Bürger*innen gibt es zwei Ansätze zur Auswahl: Entweder sie sind Repräsentant*innen einer größeren Gruppe oder Vereinigung, die im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgebiet und der -thematik stehen, oder sie sind praxiserfahren und berichten aus ihrer Wahrnehmung des Alltags vor Ort.
Alle Teilnehmenden sollten gleichwertig umfangreich über das Thema informiert sein und gleiche Voraussetzungen haben, um Redebeiträge in den Diskussionen zu leisten. Zum anderen sollte mit der Gruppenkonstellation ein möglichst breites und kontroverses Meinungsbild eingeholt werden, um alle Standpunkte und Spannungsfelder erfassen zu können. Innerhalb der Diskussionsrunden darf keine Hierarchiebeziehung bestehen, sodass alle Teilnehmenden frei miteinander diskutieren können. Die Anzahl an Fokusgruppen-Veranstaltungen ist abhängig von der Größe und Einteilung des Untersuchungsraums sowie der Akteursgruppen.
Vorgehensweise
- Formulierung eines übergeordneten Ziels für die Fokusgruppe.
- Vorbereitung einer Veranstaltung durch Akquise und Einladung von Teilnehmenden, Festlegung des Ortes, Vorbereitung der thematischen Schwerpunkte, Inputs sowie Interviewfragen.
- Einführung in die Veranstaltung (Erklärungen über Anlass, Umfang, Gesprächsregeln und Zweck sowie den jeweiligen Inputs).
- Thematisch bezogene, fokussierte Interviews der Teilnehmenden und darauffolgende Gruppendiskussionen der Inhalte.
- Potenzielle Arbeitsaufträge:
- Schwerpunktinhalte der Mobilitätsberichterstattung festlegen, Stärken und Schwächen erfassen sowie potenzielle Konflikte im Verkehr des Untersuchungsgebiets darstellen,
- Erhebungsmethoden für die Mobilitätsberichterstattung evaluieren und potenzielle Einsatzorte für die qualitativen Methoden identifizieren sowie
- Wünsche und Anforderungen an eine Mobilität der Zukunft im Untersuchungsgebiet ermitteln und Risiken abwägen.
- Dokumentation, Validierung und Veröffentlichung der Ergebnisse, z. B. aus Protokollen und Audiomitschnitten der durchgeführten Fokusgruppen.
Eine ausführliche Beschreibung zum Vorgehen finden sie im Handlungsleitfaden.
Zu beachten
- Da alle Teilnehmenden Teil der Diskussion sein sollen, sollte die Gruppengröße jeder Person einen ausreichenden Redeanteil in den Diskussionsrunden ermöglichen (ca. acht bis zehn Teilnehmende).
- Eine Moderation ist zu empfehlen. Sie hat die Aufgabe gezielt nach Intentionen und Bewertungen zu fragen und auf die Einhaltung von Gesprächsregeln zu achten, damit die Diskussionen sachlich, kontextbezogen sowie kurz und knapp bleibt.
- Ort und Termin der Veranstaltungen sind frühzeitig zu kommunizieren. Wegen weiterer Verpflichtungen wie Familie und Beruf bietet sich für die Durchführung ein Zeitrahmen von 15 bis 19 Uhr an. Der Ort sollte eine räumliche Nähe zu den Teilnehmenden gewährleisten, aber neutral sein und niemanden bevorzugen.
Akquise der Teilnehmenden
- Gezielte Ansprache von Vertreter*innen der folgenden Interessengruppen: Gemeinde- und Landesämter (z. B. Umwelt- und Naturschutz, Gesundheit), politische Parteien (z. B. aus Zusammensetzung des Gemeinderats), Interessenverbände im Verkehr (z. B. FUSS e. V.), lokale Bürger*innenvereine und weitere, ergänzende Stakeholder
- Wenn keine Kontaktperson bekannt ist: Anschreiben der Institutionen mit Bitte um einen Personenvorschlag
Einblicke in die Praxis
Gesprächsregeln
- Es redet immer nur einer
- Andere ausreden lassen
- Aktiv zuhören
- Sachlich bleiben
- Keine Beleidigungen
- Sich auf die Vorrednerin oder den Vorredner beziehen
- Ich-Botschaften statt Du-Botschaften
- Kurz fassen
- Keine Killerphrasen („Geht nicht“, „nie“, „Kann nicht“, „das ist so“)
- Keine Verallgemeinerungen („wir“, „man“, „alle“)
- Kritik bedingt einen Gegenvorschlag
- Themenschwerpunkt beachten
- Wir sind nicht auf der Suche nach Konsens, sondern nach Meinungen und Standpunkten.
- Jede Meinung zählt gleichermaßen, es gibt kein richtig oder falsch.
- Botschaften haben einen Informationsgehalt.
Leitlinien der Moderation
- Neutrales und unabhängiges Verhalten gegenüber allen Beteiligten und Themen,
- die Gespräche sollen bevorzugt von allein laufen ohne inhaltliche Eingriffe und Vorgaben,
- Eingriffe in den Gesprächsablauf nur bei Verstößen gegen Gesprächsregeln, Dominanz von einzelnen Teilnehmenden oder Zeitüberschreitungen von einzelnen Themen,
- zurückhaltende Teilnehmende sollen in die Diskussion eingebunden werden und
- bei Stagnation des Gesprächsflusses sollen Stimulationsfragen zur Diskussion gestellt werden.
Methodenbericht
Weitere Informationen sind dem Methodenbericht zu entnehmen.
Weiterführende Literatur
Benighaus, C., Benighaus, L. (2012)
Moderation, Gesprächsaufbau und Dynamik in Fokusgruppen. In: Schulz, M., Mack, B., Renn, O. (Hrsg.), Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissenschaft. Von der Konzeption bis zur Auswertung (S. 111–134). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Henseling, C., Hahn, T., Nolting, K. (2006)
Die Fokusgruppenmethode als Instrument in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung. In: WerkstattBerichte Nr. 82, Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Berlin.
Kramar, U., Dragan, D., Topolšek, D. (2019)
The Holistic Approach to Urban Mobility Planning with a Modified Focus Group, SWOT, and Fuzzy Analytical Hierarchical Process. In: Sustainability 2019, 11, 6599; doi:10.3390/su11236599.
Merton, R. K., Fiske, M., Kendall, P. L. (1956)
The focused interview: a manual of problems and procedures. Glencoe, Ill.: Free Press, 1956.
Ruddat, M. (2012)
Auswertung von Fokusgruppen mittels Zusammenfassung zentraler Diskussionsaspekte. In: Schulz, M., Mack, B., Renn, O. (Hrsg.), Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissenschaft. Von der Konzeption bis zur Auswertung (S. 195–206). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Schulz, M., Mack, B., Renn, O. (2012)
Fokusgruppen in der empirischen Sozialwissenschaft. Von der Konzeption bis zur Auswertung. VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden.
Tausch, A., Menold, N. (2015)
Methodische Aspekte der Durchführung von Fokusgruppen in der Gesundheitsforschung. Welche Anforderungen ergeben sich aufgrund der besonderen Zielgruppen und Fragestellungen? In: Gesis Papers 2015 | 12, Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften, Köln.